56. BIENNALE
2015
ALL THE WORLD´S FUTURE, das
Thema der 56. Biennale wurde von den Künstlern mehr oder weniger frei
interpretiert. Ohne Frage wieder eine Ansammlung bedeutsamer Kunstwerke von
genialen Köpfe, die einen atemlos inspiriert und demütig zurücklassen.
Hier
meine Top-Liste der Werke auf der Biennale der Biennale-Hauptgebiete Giardini
und Arsenal:
Zuerst
PERSÖNLICHE HÖHEPUNKTE: Als grosser Fan von Marc Duchamp, der Vater der
Konzeptkunst und Wegbegleiter des Surrealismus und Dadaismus, ist es nicht
verwunderlich, dass besonders folgende Werke von mir in die persönlichen Top 4 der Biennale
gelangt sind.
Kunstwerk
Nr. 1 JAPAN.
„Key in my hand“
Entledigte
Schlüssel tragen zwangsläufig Erinnerungen: Ein Schlüssel für eine ehemalige Wohnung, der
Schlüssel für einen Schrank, der Schlüssel zu einem Schmuckkästchen. Jeder
Schlüssel erzählt eine Geschichte und ist eng mit den Erinnerungen des
Besitzers verwoben. Die Künstlerin bat Menschen weltweit darum, ihr ausgediente
Schlüssel zu schicken. Diese Schlüssel verknüpfte in ein riesiges Netz mit eine
roten Faden, der jede Erinnerung mit den Erinnerungen der anderen verband,
während die Künstlerin und die daran beteiligten Helfer ihre eigenen
Erinnerungen in dieses Kunstwerk einwebten in vielen Tagen und Nächten. Dieses
ästhetische Erinnerungsnetz hat auf den Besucher eine kraftvolle Wirkung, nicht
nur durch die Vorstellung wieviele Erinnerungen nun darin verwoben sind,
sondern auch durch die daraus entstandene Ästhetik: Ein einziges rotes Netz,
das aus zwei Booten hervorgeht und sich entlang der Decke im ganzen Raum
ausbreitet. Ein Netz, das den gesamten Raum in ein rotes Licht taucht und mit
seinen Schatten einen weiteren fast unsichtbaren Muster-Teppich an die Wand
zaubert.
Kunstwerk
Nr. 2 URUGUAY „Die
Kurzsichtigkeit der Welt“
Man
betrat einen scheinbar leeren Raum. Nichts ausser Wänden und Fußboden. Da man
noch andere Pavillions sehen will und die Zeit nie reicht, um die komplette
Biennale abzugrasen und froh ist, wenn man die Hauptareale Giardini und Arsenal
komplett schafft, ist man dazu verleitet, dem leeren Raum keine grosse
Beachtung zu schenken und will gleich wieder raus.
Wenn
man aber kurz innehält und auch danach sucht ? Dann erkannte man, dass das
Kunstwerk die scheinbar weissen Wände waren. In fitzeliger Kleinstarbeit hatte
der Künstler alle Wände von oben bis unten mit weissen Papeir miniatur (ca. 0,5
bis 2 mm grosse) Stücke an die Wand geklebt hatte
Kunstwerk
Nr. 3 „United
Dead Nations“
Länder
die es nicht mehr gibt serbien oder slowenien
Gruselgefühl
und Friedlichkeit. In einem kahlen Raum mit bunt besprenkelten Boden, liegen
Flaggenhaufen, die sehr mitgenommen aussehen, ausgewaschen, beschmutzt mit
diversen Farben. Darüber eine Schrift in grossen Lettern: Der Ländername und
Geburts- und Todesdatum. Der Titel sagt es: „Vereinte tote Nationen“: DDR,
JUGOSLAVIEN, UNGARN-, TSCHECHESLOWAKEI, SOVJETUNION...
Kunstwerk
Nr. 4
Kleinkinder
wurden weltweit gefragt, wie sie auf die Welt gekommen sind und antworteten
Erstaunliches. Sie beschrieben die Existenz im Mutterleib und hatten unfassbare Stories auf Lager. Ungemein unterhaltsam und inspirierend.
„Was die Kunst jenseits
des Dekorativen kann: Aufmerksam machen, Missstände aufdecken, die Bürger zum
Denken anregen. Es gibt hierfür eine Fülle historischer Beispiele: Wer einmal
die Schlachtenszenen aus dem ersten Weltkrieg von George Grosz aufmerksam
betrachtet hat, weiß, was der Krieg an Gräueln anrichtet. Grosz beschreibt
selbst: „Ich zeichnete Soldaten ohne Nase, Kriegskrüppel mit krebsartigen
Stahlarmen … Einen Obersten, der mit aufgeknöpfter Hose eine dicke Krankenschwester
umarmt. Einen Lazarettgehilfen, der aus einem Eimer allerlei menschliche
Körperteile in eine Grube schüttet. Ein Skelett in Rekrutenmontur, das auf
Militärtauglichkeit untersucht wird …“ Otto Dix, dessen karikierende
Porträts meist die Menschen zum beifälligen Schmunzeln anregen, zeichnete nach
dem Erlebten im ersten Weltkrieg eine bedrückende Serie über die Schrecken des
(Gas-) Krieges. Vergleicht man die nach dem zweiten Weltkrieg entstandenen
Bilder von René Magritte mit seinen früheren hintergründig- surrealen Arbeiten,
so erkennt man den Stil des Malers in dieser angehäuften und herausgeschrieenen
Tristesse nicht mehr wieder.
Schafft es die Kunst des beginnenden 21. Jahrhundert auch,
über die elfenbeinturmhafte Unverbindlichkeit des rein Formalen, Strukturierten
und Informellen hinauszuwachsen und wieder Stellung zu beziehen? Die
technischen Möglichkeiten hierzu sind vorhanden, die Themen auch. Man muss sie
nur angehen! Das Beispiel des chinesischen Aktionskünstlers Ai Wei Wei zeigt,
dass die Weltöffentlichkeit nicht nur am Rande Notiz nimmt von Versuchen, mit
Hilfe der Kunst für die Menschen zu agieren, systemrelevant zu werden.
Systemrelevante Kunst ist Kunst, die nicht wegschaut, sich nicht verkriecht,
sondern für den
Menschen, die Menschheit agiert. Sie kann auf Missstände hinweisen,
Lösungsansätze aufzeigen, zu Veränderungen anregen. Eins scheint sicher: Mit dieser
Kunst werden sich die
Menschen identifizieren können.“ Unbekannte Quelle: arteam.de
Manche
Fotos von der Biennale inspirierten sogar meine Mutter („Sogar“ weil Kunst
nicht zu ihren bevorzugten Beschäftigungsfeldern gehört). Sie hat nur durch ein
einziges Foto von der Biennale 2015 diverse Ideen für ihre eigene Arbeit
erhalten. Sie wurde inspiriert durch dieses Kunstwerk. Die Biennale hat mich selbst
wieder einmal beflügelt für weitere Projekten.
Ist es
nicht die höchste Anerkennung eines Kunstwerkes, wenn es den Geist und das Herz
vieler Menschen zu berühren vermag und es wie eine Welle durch die Welt fegt?
Yvonne Arnold 2015
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