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EIN KURZER MOMENT IM JAHR 2222.


EINE SCIENCE FICTION ULTRA-KURZGESCHICHTE

Ich kann in die Zukunft reisen, allerdings immer nur für einen kleinen Moment und immer nur an denselben Ort. Dann erlebe ich die Dinge so, wie sie geschehen werden, beziehungsweise wie sie in unserer Zukunft bereits geschehen sind. Heute möchte ich einen kleinen Moment von einer Reise ins Jahr 2222 mit Euch teilen:

 „Mistding!“, rief sie im Affekt, eine unbemannte Drohne X2D2 schrammte ihren Kopf und landete rauchend und unsanft vor ihr auf den Boden. War sie denn zu früh ? oder gar zu spät? Ihr Buch über Kommunikationsformen im 21. Jahrhundert fiel ihr aus der Tasche und landete in einer Pfütze. Sie drückte einen Knopf am rechten Ärmel ihres Jackets und sofort floss eine klebstoffartige Masse über ihre rechte Hand. Sie liebte diese Jacke. Sie hatte so einige Besonderheiten. Eine davon war der biologisch abbaubare Instant -Handschuh, der sie so einige Male davor bewahrt hat, ihre Hände schmutzig zu machen. Sie griff nach dem Buch, das in der Pfütze schwamm, nahm es heraus, streifte den Handschuh ab, der sich in diesem Moment zu einem glühwürmchen-artig leuchtenden Nebel wandelte und auflöste. Sie steckte das trockene Buch zurück in ihre Tasche. Heutzutage wurden so ziemlich alle Objekte, die nicht nass werden oder grosser Hitze ausgesetzt werden durften, mit einem Schutzfilm behandelt. Dieses Verfahren hatte jetzt das Stadium erreicht, dass man es bald am Menschen anwenden konnte. Keine Verbrennungsopfer oder Wasserleichen mehr.
Viele bekamen von diesen sensationellen Zukunftsaussichten nichts mit, denn  die Einheiten in denen Menschen zusammenwohnten waren klein und sie alle hatten ihr eigenes System, wie sie Dinge handhabten. Auch wie sie Fremde bei sich aufnahmen und nach welchen Kriterien sie als wertvoll beachtet wurden.  Die Kommunikation nach aussen war in manchen der Ellipsen, wie die einzelnen Gemeinden genannt wurden, gewünscht und eifrig betrieben, weil sich vielleicht darunter einige journalistische Gemüter fanden, die genügend Netzwerke und Neugier aufgebracht hatten, für die Ellipse eine ausführliche Zeitung ins Leben zu rufen. Ansonsten war so ziemlich alles dezentralisiert.
Die Ellipse, in der Maria lebte, war eine, in der sowohl viele die Leidenschaft zum Forschen und Entwickeln besaßen und in der es viele Journalisten und Schriftsteller gab.
Deswegen gab es Funktionskleidung integriert mit allen möglichen Gadgets und Schutzfilme auf allen wichtigen Dingen in dieser Ellipse. Und aus diesem Grund konnten auch Drohnen an ihrem Kopf vorbeischrammen. In anderen Ellipsen ging es ganz anders zu. In der nächstnäheren Ellipse zum Beispiel gab es viele Angler, Handwerker und Näherinnen. Die Ellipse so erfuhr Maria aus der Zeitung, war eine Ansammlung von Leuten, die es liebten , sich mit der Natur auseinanderzusetzen. Naturlehrer, Schamanen, Heilpraktiker und allerlei Kräuterhexen, die die Wirkung jeder Pflanze kannten und so einige Heilungsrituale auf Lager hatten. Ausserdem lebten dort einige Architekten und Handwerker und das gab der Ellipse ihren ganz besonderen Reiz. Die Häuser waren ganz wundervoll gestaltet und in der Mitte jeder Häuseransammlung stand ein riesiger Baum, der die Häuser mit seinem Blätterdach überragte. Maria wünschte sich manchmal, dort hinzugehen und dort einige Zeit zu verbringen.  Das war nicht ganz leicht, denn sie hatte einen Platz in der Gemeinschaft, solange bis bestimmte Pläne verwirklicht waren, auf die man sich geeinigt hatte, gleichgültig wie lange es dauerte. Und da konnten Jahre manchmal Jahrzehnte vergehen.  So etwas wie Geld gab es in ihrer Ellipse nicht. Jeder gab das was der andere wollte, wenn er es entbehren konnte. Viele Tauschgeschäfte fanden statt. Und viele unaufgeforderte Geschenke wurden gemacht, und da man den anderen so nahe kannte, wusste man auch genau, was er gebrauchen und worüber er sich freuen würde. Alle halfen beim Hausbau mit oder beim Strassenfegen. Maria war zwar selbst erst 26, doch sie war mit einem Herrn befreundet, der nun schon seit 60 Jahren in dieser Ellipse lebte. Er hatte ihre Jugend indirekt versüsst, denn in ihrer Ellipse war das oberste Ziel, ein glückliches Leben zu führen. Da dieses Glück sehr individuell sind und die Freude an so unterschiedlichen Orten zu finden ist, gab es die ulkigsten Anlagen in Marias Ellipse. Sie war ihrer Mutter sehr dankbar, dass sie sie in diese Ellipse geschickt hatte. Glücklichsein hatten die Bewohner in dieser Ellipse wahrhaftig gelernt. Für Moritz, so hiess der 100 jährige Freund von ihr, der mit 40 in die Ellipse gekommen war, für Moritz war es eine Freude gewesen, einen Bewegungsspielpark zu entwerfen, den er sich so sehr wünschte. Die anderen bauten ihn. Nun gab es für Erwachsene wie für Kinder eine Vorrichtung an der sie durch ein Seil gesichert waren und sich selbst aus kleinen Holzkisten einen Turm bauten an, dem sie hochkletterten, bis sie am oberen Ende der Vorrichtung angekommen waren. Es gab Kletterparks und Kletternetze überall. Die Ellipse ähnelte einem Riesen-Spielplatz. Und da es eine enge Gemeinschaft war, hatte man selbst an Wohnhäusern Rutschen und Klettervorrichtungen angebracht.  Die Ellipsen waren wie grosse Familien. Es gab sie in allen möglichen Grössen. Manchmal nur 20 Leute, manche zählten 300 Bewohner, aber es gab auch viele mit Tausend und manche sogar mit 5000, die aber genau genommen mehrere Ellipsen in einer einzigen, die sich eben alle auf bestimmte Werte festgelegt hatten.

Maria schob sich durch die Menschenmenge, die sich für die neuesten Zeitreiseziele angestellt hatten. Es gab eine Art Kaufhaus in, dem man entweder auf einer Sänfte durchgetragen wurde oder man konnte die sportliche Variante nehmen und auf einem auf Schienen geführten Fahrrad sich an schwebenden Displays vorbei die neuesten Angebote aussuchen. Gewählt wurde entweder per Daumendruck auf dem Touchscreen vor sich oder über ein zweifaches Augenzwinkern, denn viele Produkte hatten bereits das integrierte Augen-Entscheidungs-Plugin. Reichlich peinlich konnte es werden, wenn man versuchte ein Produkt zu kaufen, das dieses Plug-in nicht hatte. Dann war man einfach nur ein Mensch der einem Gegenstand minutenlang zuzwinkerte.
Sie benötigte noch ein Geschenk für eine Freundin und ein Wochenend-Trip in die 1980er Jahre in Europa war das ideale Geschenk für sie, denn sie hatte eine ansehnliche wertvolle Sammlung von Gegenständen aus dieser Zeit. Bei manchen wunderte man sich schon sehr, wie es 240 Jahre überstehen konnte.

Damals glaubten Menschen noch, das Zeitreisen unmöglich waren, zumindest nicht in die Vergangenheit, da diese ja bereits vergangen und nicht mehr existent war. Dabei waren die Menschen damals von ganz falschen Voraussetzungen ausgegangen: Dass die Vergangenheit vergangen, die Zukunft noch nicht geschehen und die Zeit linear Maria las in einem ihrer historischen Bücher, dass viele Menschen um ihre Überforderung mit dem Satz „Ich habe keine Zeit“ zum Ausdruck brachten. Dabei hatten Sie einfach eine von vielen Möglichkeiten gewählt, die bereits passiert waren.  Maria konnte sich nur schwer in dieses damalige Weltbild hineinversetzen, dennoch faszinierte Sie diese Zeit von damals. Wie spannend dieses Jahrhundert gewesen sein musste: Die Erfindung des Autos und des Films, die Erfindung des Flugzeugs, der erste Flug ins Weltall und zum Mond, die Erfindung des Internets, die Umkehrung der Gesellschaft, der komplette Neuanfang. Was für ein abenteuerliches Jahrhundert. Kein Wunder, dass die Zeitreisen dorthin so beliebt waren.

Maria hatte schnell das Geburtstagsgeschenk für Ihre Freundin gefunden. Es war nur ein blauer Leuchtender Chip, der in einer Schatulle im Look der jeweiligen Zeit steckte.
Maria wollte bereits um 13 Uhr bei Ihrer Freundin Isomeda sein. Letztendlich war sie eine Stunde zu spät und Maria wusste genau, dass an ihrer Verspätung Isis schuld war. Grinsend machte Isi die Tür auf und grinste: „Sorry, ich habe Deine Ankunft verzögert, ich war noch nicht soweit“ Maria sagte: „Ich hätte es wissen können. Eine Drohne hatte mich geschrammt, ich stand im Menschenstau, musste ewig für alles warten. Da war mir schon klar, dass die Realität  hier bewusst verändert wird. Alles Gute zum Geburtstag. Deine Existenz ist erhellend und wichtig für mich und die Welten.“ Das waren die üblichen Sätze zum Geburtstag wie in den 2000 Jahren das „Alles Gute und viel Glück.“ Maria überreichte ihr die Schatulle und beobachtete Isis Gesichtsausdruck. Isi erkannte die Schatulle als Zeitreisegeschenk, jedes Kind wusste, dass die Schatulle nur eine Zeitreise sein konnte. „1880er?“, fragte sie irrgläubig? „hmmh“, erwiderte Maria nickend. „Hast Du Lust ? Einen Teil der Reise jetzt gleich bevor die anderen kommen? Jetzt ist es 14:10 Uhr, wir könnten einen Nachmittag dort verbringen und vor 10 Minuten zurück sein, also 14 Uhr. Die Zeitreise kommt mit dem „Spend-time-save even more time“ plug-in. Du kannst also zurück sein, bevor DU losfliegst aber bis zu zwei Tage in der Zwischezeit dort verbringen.“ Isi konnte es kaum erwarten. Du wirst zwei volle Tage dort sein können! Und kannst Dir die Reise unterteilen. Und Du bekommst 30 Minuten Lebenszeit geschenkt. Geopraphisch ist die Reise unbegrenzt, das heißt Du kannst hinreisen, wo Du möchtest. Deswegen können wir jetzt nicht schnell mal in die 1880er schnuppern.“ Isi konnte es kaum fassen.
„Danke, liebe Maria. Von Herzen sei Dir Dank zugesprochen. Mögen alle Deine Vorhaben gelingen und mögest Du von allen guten Energien dieser Welt beschützt und gesegnet werden.“ Isi verneigte ihren Kopf demütig, um Respekt zu zeigen. (Anmerkung: Das war das übliche Procedere im Jahr 2222, wenn man sich mit einer anderen Person unterhielt und sich bedankte.)

Da es mir nicht vergönnt ist, länger in die Zukunft zu blicken, endet die Geschichte hier. 

Yvonne Arnold 2015

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