Was bringt uns Informiertheit?
Eine Herausforderung des 21. Jahrhunderts.
Als informierter Bürger bemüht man sich, aufgeklärt zu sein. Von jemanden, der wählen geht, wird erwartet, Abonnent mindestens einer - besser noch mehrerer – Tageszeitungen zu sein, täglich sollten diverse Berichte von Nachrichtensendern konsumiert, sowie regelmäßig TV-Dokumentationen angesehen und Hintergrundwissen durch weitere Recherche angeeignet werden. Praktischerweise senden viele Sender stets Dokumentationen parallel zu den brandaktuellen Tagesthemen, die auf allen Sendern in Deutschland in etwa dieselben sind. Hier und da recherchiert man ein paar Schlagwörter und einige Hintergründe mit Hilfe von Dr. Google und Mr. Allwissend-Wikipedia. Aufgrund von Zeitmangel bleibt es in vielen Fällen auch dabei. Im Jahr ein, zwei gute Biographien, die auf den Bestsellerlisten der Zeitungen grassieren in Buch oder Kindle-Form und man kann sich zum Bodybuilder des Jahres in Sachen Informiertheit und Aufklärung küren. Mein Handy vibriert gerade: Nachrichtenticker per Push-App Funktion: „Breaking News: Henning Mantell ist tot.“
Wer informiert ist, kennt alle Präsidenten
und Diktatoren der Welt, die eigenen Minister beim Namen und weiß auch, was diese
in letzter Zeit gut und was sie schlecht gemacht haben. Ein gut informierter
Mensch kennt das Programm jeder Partei und weiß auch, was in den anderen 200 Ländern
der Welt geschieht: wirtschaftlich, politisch und kulturell. Er kennt den
Unterschied zwischen der islamischen Dschihadistenmiliz und Al-Kaida. Auf
Phönix schaut man sich als informierter Mensch Bundestagsdebatten an, wie nun
alles Geschehene von den Politikern aufgenommen und verarbeitet wird. Und dann „ist
der Fisch geputzt“ wie man so schön sagt. Danach dürfte man doch genügend
informiert sein als aufgeklärter und kritischer Bürger.
Der Spiegel schrieb in einem Artikel von
durchschnittlichen 585 Stunden Medienkonsum der Deutschen im Monat und wirft
die Frage auf, ob es sinnvoll sei, 152 Tage im Jahr dafür aufzubringen. Nebenbei
muss man nun nur noch die To-Do-Liste des eigenen Lebens abarbeiten, damit man
sein Leben möglichst sinnvoll, erfolgreich nutzbringend und bitte auch
glücklich verbringt. Mein Handy vibriert wieder: „Breaking News: Zahl der
Obdachlosen um 50% gestiegen.“
Wir haben das Gefühl, es gibt immer mehr
Gewaltverbrechen, die Mächtigen nutzen ihre Macht nicht gut und schon gar nicht
zum Wohle des Volkes. Wir bleiben frustriert, hoffnungsfrei zurück, die Zukunft
ist schwarz, die Menschen skrupellos und die Welt schlecht. „Breaking News:
Verschollener Frachter El Faro gesunken.“
Auf dem Weg des Informiert-Sein-Wollens
müssen wir vieles ertragen. Das heißt zusehen, ohne etwas ändern zu können, und
zuhören, ohne dass unsere eigene Stimme Gehör findet. Wir leiden mit, wir
fühlen mit. Stumm vor dem Fernseher und über der Zeitung. „Breaking News:
Deutsche Männer finden Helene Fischer heiss und nervig.“
Was wir hören und sehen macht uns wütend,
enttäuscht uns, entsetzt uns, macht uns gerade zu krank. Das muß emotional und
psychisch erst einmal verarbeitet werden: wieder wird ein Skandal laut, über
den wir uns empören können, erfahren wiederholt zum Himmel schreiende Ungerechtigkeit,
der wir uns machtlos ausgeliefert fühlen und das Bild einer immer unsichereren,
schlechteren Welt projiziert sich fest in unseren Kopf. Täglich sehen und hören
wir über un-vorbildhaftes Benehmen, Dreistigkeit, Gier, Tod, Missbrauch,
Betrug, Dummheit, Gewalt, Lügen und das in zahlreichen Bereichen und mit immer
neuen Personen in immer größerem Ausmaß an noch zahlreicheren und immer neuen Schauplätzen:
„Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Zumwinkel“, „Costa Concordia geht unter, zahlreiche
Menschen sterben, weil sich der Kapitän währenddessen vergnügt und den Ernst
der Lage nicht erkennt.“, „Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Höneß wegen
Steuerhinterziehung“, „Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Schettino“, „Reaktor-Unglück
in Fukushima“, „Shells Ölkatastrophe –
das nie endende Ölbohrloch im Golf von Mexiko 2010, die schlimmste
Umweltkatastrophe dieser Art, bei dem 800 Millionen Liter in den Ozean flossen“,
„Hunderte Flüchtlinge ertrinken im Meer“, „weltweit 45 Kriegsschauplätze“, „Überschwemmungen“,
„Pegida“, „Gutenbergs erschlichener Doktortitel“, „Schavans erschlichener
Doktortitel“, „Koch-Mehrins erschlichener Doktortitel“, „Van der Leyens nicht
funktionierendes Gewehr“, „die Lage in Griechenland“, „VW-Affäre“, „Staatsanwaltschaft
ermittelt gegen Winterkorn“, „Schweiz ermittelt gegen Deutsche Bank“,
zwischendurch noch Meldungen von Schweinepest, BSE und Vogelgrippe. Wir hören
Börsennews, die Börse geht nach unten, es droht eine ein weiterer Börsencrash. Jahrestag
des „Terroranschlag 11. September 2001. Die Welt steht still“. „Das Space
Shuttle Columbia explodiert beim Wiedereintritt in die Atmosphäre , die gesamte
Besatzung stirbt“, „Angst vor SARS“, „Je suis Charlie: Anschlag auf die Redaktion
eines Satiremagazins durch islamistische Terroristen“.
Nach all diesen Meldungen folgt die
Zusammenfassung des Spielverlauf eines Fußballspiels, dem genauso viel Zeit eingeräumt wird, wie dem
vorangegangenen Terroranschlag. Von allen wichtigen Ereignissen, die auf dieser
Welt geschehen und angesichts der wenigen Zeit, die für einen Nachrichtenüberblick
zur Verfügung steht, wie wichtig ist dann allen Ernstes, wer bei der
Europameisterschaft der Damen im Tischtennis gewonnen hat? Genau diese Themen
werden aber als wichtigste Selektion für uns täglich herausgefiltert und
mundgerecht in 30 Minuten als Tagesthemen serviert. Wir leben in einer wahrhaft
schlechten Welt. In sporadischen Abständen lassen uns die Medien auch die immer
währenden Dauerbrenner-Themen wie Artensterben, Klimaveränderung,
Umweltausbeutung, Systematisches Ausrotten von Ureinwohnern und die nagende
Frage: „was passiert mit dem Atommüll?“ nicht vergessen.
Mein Telefon vibriert: „Breaking News:
Türkische Polizisten sollen getöteten Kurden geschändet haben.“
Wir stumpfen ab, denn die vielen
schrecklichen Nachrichten können wir emotional gar nicht so schnell verarbeiten, schließlich müssen wir ja weiterhin funktionieren und können nicht
heulend in der Ecke sitzen und die schlimme Welt beklagen, in der man stets
etwas zu befürchten, niemanden trauen und immer auf der Hut sein muss. Guter
Journalismus hinterfragt detektivisch, deckt Verborgenes auf, ist kritisch und -
vor allem - negativ: Die Welt hat eben viele Baustellen. Wer fröhlich und optimistisch
ist, wird gerne als oberflächlich, naiv oder ungebildet angesehen: „Der
Optimist weiß nicht, was in der Welt los ist.“
Man muss Wut und Ärger verspüren, sich empören, dann steht man auf der richtigen
Seite. „Breaking News: Malaysia macht Indonesien wegen Waldbränden Druck.“
Jeder informierte und gebildete Mensch weiß,
dass etwas, das in einem fernen Land auf der Erde passiert, ganz schnell etwas
mit einem selbst zu tun haben kann, und dass in einer globalisierten Welt alles
miteinander zusammenhängt: der Börsencrash Anfang des 20. Jahrhunderts in New
York löste zum Beispiel eine ganze Armuts- und Hungerwelle in Europa aus. Außer
Frage steht zudem, dass man sich bewusst sein sollte, dass in der Welt nicht
nur Gutes geschieht und geschah. Die Welt ist der Polarisation unterworfen: Es
gibt zwischen unmenschlichen, atemstockenden zerstörerischen Ereignissen und
Gräueltaten und der atemberaubenden absolut glückseligen Liebe und friedvollen
Gesten alles. Es gibt Helden und Bösewichte. Wir leben in einer unendlichen
Vielfalt an Menschen, Einstellungen, Haltungen, Denkweisen. Bildung ist
bekanntlich der erste Schritt in Richtung Frieden, um Verständnis und
Erkenntnis über sich selbst und über andere zu erlangen. Dies ist vornehmlich
auch ein Grund, weshalb wir uns überhaupt mit dem Tagesgeschehen
auseinandersetzen. Ja, es gibt noch immer viel Unheil, Ungerechtigkeit, Gewalt
und Gier auf der Welt. Keine Frage. „Breaking News: Tote und Verletzte durch
schweren Taifun in China.“
Wer allerdings glaubt, dass er durch
den Konsum der Massenmedien etwas Vernünftiges für sich und für die Welt tut,
der ist weit gefehlt.
Anhand einer Studie von TNS
Infratest für die ZEIT sieht die Mehrheit der Bundesbürger die Zukunft düster.
Die Kriminalität nehme zu, den Menschen in den Entwicklungsländern ginge es
immer schlechter, das Bildungsniveau nehme ab. Tatsächlich entspricht dies
nicht der Wahrheit. Diese Wahrnehmung ist zum einen geprägt durch Massenmedien
zum anderen durch die womöglich genetische Programmierung unseres Gehirns.
Hätten Sie sich beispielsweise gedacht, dass sich die Kriminalitätsrate der
gesamten Welt auf dem Tiefstand aller Zeiten befindet? Dass die weltweiten
Morde zurückgegangen sind? Dass die Menschen weltweit noch nie soviel Wohlstand
hatten, noch nie so viele Menschen weltweit Bildung genossen haben, noch nie so
„wenig“ Menschen arm waren? Breaking News: „Zwei Kinderleichen wurden an
griechischen Stränden entdeckt.“
Wir regen uns darüber auf, was
die Politiker, die Führungskräfte, die Konzerne, die Regierenden, die
Amokläufer, die Terroristen tun und fühlen uns machtlos – und merken gar nicht,
dass unser Konsum an täglichem Weltgeschehen das eigentliche Problem ist. Wir
fühlen uns nicht schlecht, weil die Welt so schlecht ist, sondern weil wir uns
diesen Medienmechanismen aussetzen. Das ist es, was uns schlecht fühlen lässt. „Breaking
News: Deutschlands Heuschrecken geht es bestens.“
Laut Fritz Strack, einem Würzburger
Psychologe, fallen uns am schnellsten unsere aktuellen Probleme ein, wenn es um
die Bewertung der Gegenwart geht. Denken wir allerdings an die Vergangenheit,
seien diese Probleme entweder gelöst, verblasst und auf jeden Fall weniger
dramatisch und emotional. Die Vergangenheit erscheint dadurch immer besser als
die Gegenwart. Diese Art der Wahrnehmung werde von Medien genutzt und
verstärkt. Der Tübinger Medienforscher Bernhard Pörksen bestätigt dies: Alltag
und Normalität seien nicht medienfähig.
Drösser und Spiewak schreiben hierzu: „Der Zwang, das Nachrichtenangebot ständig zu erneuern, treibt
an, was Kommunikationswissenschaftler die »Verfügbarkeitskaskaden« nennen. Die
Meldung über eine neue »Seuche«, ein Verbrechensopfer, einen Politikerskandal
zieht Leser und Zuschauer in ihren Bann; Experten und Interessengruppen melden
sich zu Wort oder schalten sich über Diskussionsforen und Blogs in die Debatte
ein; die Politik sieht sich genötigt zu reagieren, was Anlass zu weiteren
Beiträgen gibt. Es entsteht der Eindruck einer Ereigniskette, die in
Wirklichkeit gar nicht existiert. Nach einiger Zeit bricht die Empörungswelle,
das Interesse lässt nach, Überdruss setzt ein. Was genau passiert ist, haben
die meisten Leser inzwischen vergessen. Es bleiben Unsicherheit, Misstrauen und
das Gefühl, dass alles irgendwie immer schlimmer wird.“
(Quelle: Die ZEIT: Leider gut.
Christoph Drösser/Martin Spiewak).
Das Wissen der Welt ist nur fragmentarisch dargestellt.
Daraus erwächst die Frage: Wie informiert sind wir tatsächlich?
Nachrichten sind zum Großteil negativ
und immer fragmentarisch: Die ganze Wahrheit kann niemals in einem 2-Minuten-Beitrag
und auch nicht in 45 Minuten dargestellt werden.
Wir werden immer nur Fragmente der
Wirklichkeit erfahren und nicht die vollständigen Kausalketten im Überblick
sehen: Ob der griechische Finanzminister nun schon wieder ein Versprechen nicht
gehalten hat oder wieder einmal ein vertuschter Skandal ans Licht kommt, ist
das eine. Dazu kommt noch die Dunkelziffer der Wahrheit. Selbst wenn wir alle
Medien weltweit konsumieren könnten, hätten wir noch immer kein realistisches,
objektives Abbild der Realität. Was die tatsächliche ganze Wahrheit ist, werden
wir nie erfahren noch überprüfen können. Vieles wie man weiß geschieht hinter
verschlossenen Türen, abseits der Presse.
In meiner Laufbahn als Filmemacherin und Autorin haben mir viele
Menschen Dinge anvertraut, die vermutlich niemals an die Öffentlichkeit gelangen
werden, auch wenn sie noch so interessant wären. Auch Sie, verehrter Leser,
werden einige Dinge wissen, die nicht an die Öffentlichkeit gelangen. Das gibt
es in jedem Bereich. Im Kleinen wie im Großen. Zu glauben, dass hinter den
Kulissen aktuell nichts geschieht, was wir nicht mitbekommen oder erst Jahre
später erfahren, ist realitätsfremd. Ein kurzer Blick in die Geschichte reicht.
Da sich die Nachrichten auf immer andere
Themen stürzen, bleibt immer dieses ungute Gefühl: welche Zeitung, welcher
Sender behandelt denn heute noch die Folgen der Ölpest von 2010? Damals
versetzten die Meldungen die ganze Welt in Angst und Schrecken. Heute sind es
andere Themen: Flüchtlinge, AIDS, VW.
Vom gesamten Weltgeschehen bekommen die Nachrichtenredaktionen
nur einen Bruchteil des wirklichen,
tatsächlichen Weltgeschehens auf den
Tisch. Die Sender wählen die Themen und
Nachrichten aus, die sie für wichtig halten und vor allem ins Programm passen. Ein
Programm hat eine bestimmte Sendelänge, die vorgeschrieben ist. Darin sind eine
ebenfalls Anzahl von Themen festgelegt. Für
jedes Themengebiet im Inland und Ausland wird eines von vielen hunderten
möglichen Berichtens werten Geschehnisse ausgewählt. Ausgewählt wird, was die
Redaktion für wichtig hält, also eine Hand von Leuten, die ihrerseits ebenfalls
genetisch, kulturell, elterlich und durch ihre eigenen Erfahrungen geprägt sind
und ihre eigenen Prioritäten haben – die nicht nur ideeller und moralischer
Natur sind und die zudem eine Verpflichtung der Leitlinien der Zeitung oder des
Senders zu repräsentieren haben. Durch den Konsum von Nachrichtensendern bekommen
wir ein äußerst verzerrtes und bruchstückhaftes Bild der Realität geliefert, worüber
sich alle Redaktionen durchaus bewusst sind.
Hans Mathias Kepplinger, Professor für
Empirische Kommunikationsforschung in Mainz bezeichnet diesen Vorgang als
„Verdunklung des publizistischen Ereignishorizontes“. Die Darstellung der Realität
kopple sich zunehmend von der Realität ab.
Noch vor 10 Jahren hat es 5 bis 7 Jahre
gedauert, bis sich das Wissen der Welt verdoppelt hat, heute reichen 700 Tage
oder noch weniger. Täglich entstehen 2,5 Trillionen neue Daten.
Von diesem gesamten Ereignissen,
Erkenntnissen, neuen Daten, Entwicklungen auf der Erde schafft es nicht mal
annährend 0,00000001% in die Nachrichten.
Je mehr wie also versuchen, uns über
Massenmedien zu informieren und glauben, daß wir nun gut informiert seien,
desto unwirklicher ist unser Blick auf die Realität. Wir gaukeln uns vor, wir
wüssten über die Welt Bescheid und werden zu unwissenden Heuristikern, die durch
analytisches Vorgehen Aussagen über ein System treffen, indem sie auf Basis von
begrenztem Wissen mutmaßlich Schlüsse ziehen. Doch außer einer realitätsfremden
Sicht gibt es noch ein weiteres Problem, wenn wir uns täglichen Nachrichten
aussetzen:
Wir verformen unser Gehirn
Ein menschliches Gehirn macht keinen
Unterschied, ob eine Erfahrung real oder nur ausgedacht ist. Das Gehirn
speichert alles als real ab.
Genaugenommen sind wir also in
Kriegsberichten immer an der Front, in Debatten immer mitten drin in
Streitgesprächen, und vor allem ständig mit problematischen Themen
konfrontiert, wenn wir uns täglich mit Nachrichten füttern. In gewisser Weise sind wir dadurch
dauer-traumatisiert.
Vielleicht
sollten wir uns um unserer Gesundheit willen den Mut zur Lücke gönnen und
aufhören, uns wie Junkies das mundgerecht geschnittene Tagesgeschehen
reinzuziehen. Dafür gibt es viele Gründe.
Negative Gedanken sind gesundheitsschädlich
Die Wissenschaft hat schon lange
belegt, dass negatives Denken und negative Gefühle schädlich für die Gesundheit
ist. Jemand, der schlecht drauf ist, begibt sich in die Gefahr, sich
Krankheiten einzufangen. Positive Gefühle, positive Gedanken, Ausgeglichenheit
und Zufriedenheit hingegen, wirken gesundheitsfördernd. Tagesnachrichten fügen unserem
Körper messbaren Schaden zu. Jedes Mal, wenn wir uns aufregen, wenn wir Wut, Ärger, Trauer, Verzweiflung, Enttäuschung,
Empörung verspüren und dabei negative Gedanken denken, fügen wir unserem Körper
Schaden zu.
Wenn Informiertheit uns krank
macht, inwiefern bringt uns diese Informiertheit noch etwas? Unsere Gesundheit
und unsere damit zusammenhängende Lebenszeit sind doch im Grunde unser höchstes
Gut.
Das menschliche Gehirn kann besser negativ denken,
es sei denn es wird bewusst umprogrammiert
Die Negativgewichtung von Tagesnachrichten
wird von unserem Gehirn selbst noch verstärkt: Es ist für das menschliche
Gehirn einfacher, negativ zu denken als positive Gedanken zu fassen. Wir müssen
das Positivdenken also trainieren, um das Negativdenken zu schwächen. Weshalb
unser Gehirn negativen Signalen immer den Vorrang gibt, weiß man nicht. Der
amerikanische Psychologe Paul Rozin vermutet, dass es an evolutionären Genen
liegt: Wer seine Aufmerksamkeit auf das Schlechte, Negative richtete, hatte in
der Vergangenheit größere Chancen sich anzupassen und zu überleben, da er eben
das gefährliche Tier im Fokus hatte und nicht den roten Apfel, der am Baum
hing. Hierbei ging es um unmittelbare Gefahren.
Da unser Gehirn nun eben keinen Unterschied
zwischen unmittelbaren, visualisierten, über den Fernseher erlebten oder realen
Gefahren macht, werden die übermittelten Missstände und Qualen in Syrien und
die drohenden Flüchtlingsmillionen zur unmittelbaren Gefahr, und die Ängste der
Regierenden, nichts mehr unter Kontrolle zu haben, werden zu den eigenen
Ängsten. Wenn einem dies nicht bewusst ist, verspürt man Angst, obwohl man sie
eigentlich nicht hat. Die menschliche
Wahrnehmung ist sehr unzuverlässig, wir betrügen uns dauernd mit falschen
Erinnerungen. Kurzzeitige Gefühlszustände und entsprechende Gedanken
beeinträchtigen unser Urteilsvermögen sowie unsere daraus erfolgenden
Bewertungen. Der amerikanische Psychologe Daniel Kahneman hat ein Buch über genau
diese Mechanismen geschrieben: „Schnelles Denken, langsames Denken.“
Betrachten wir es weiter von der
wissenschaftlichen Perspektive: Der Mensch nimmt in der Minute 11 Millionen
Sinneseindrücke pro Sekunde wahr. Davon werden nur 60 bewusst in der Großhirnrinde
verarbeitet. Was wir davon selektieren hängt davon ab, was wir denken und wie
wir denken. Was und wie wir denken hängt davon ab, wie wir elterlich,
gesellschaftlich, kulturell genetisch geprägt und programmiert sind. Dazu
kommen eigene Erfahrungen, die uns verschiedene Dinge bewusster wahrnehmen lassen
als andere. wie eine schwangere Frau plötzlich nur noch Kinder, Schwangere und
Babysachen sieht. Sie lenkt ihren Fokus, Ihr Bewusstsein auf eine andere
Realität. Ihre Wahrnehmung ist genauso real oder irreal ist wie die Wahrnehmung,
die sie vorher hatte. Wir sind also hier bereits auf vielen Ebenen unfrei. Wie
Schopenhauer schon sagte: „Der Mensch kann zwar tun, was er will, aber kann
nicht wollen, was er will.“
Die uns präsentierte Auswahl an
Top-Nachrichten ist bereits subjektiv, da eine beträchtliche Selektion, eine
passive Zensur stattgefunden hat.
Vergleichen Sie einen Tag lang die
Überschriften der Tagesgeschehen weltweit von ausländischen Sendern und
Zeitungen mit den Überschriften im eigenen Land. Sie werden erstaunt sein, wie
differenziert die Welt an bereits einem Tag aussehen kann. Wie ganz andere
Themen als heißeste Weltnachrichten gehandelt werden, die unterschiedlichen
Gewichtungen sind sehr spannend. Hier fängt die Problematik an: Was ist nun das
wirklich Wichtige, tatsächliche und richtige
„Weltgeschehen“? NICHTS ist objektiv dargestellt. NICHTS kann 100% wahrheitsgemäß,
vollständig und objektiv dargestellt werden. Und die Nachrichtenwelt schaut
grundsätzlich auf die eine schwarze Wolke am Himmel.
Eine belgische Zeitung möchte diesem nun
entgegen wirken und viele andere Redaktionen haben es ihr gleich getan: „Constructive
journalism“ nennt sich die neue Art des Journalismus, der beide Seiten
gleichgewichtend darstellen soll. „Konstruktiver Journalismus“ soll die
Umsatzzahlen wieder erhöhen. Haagerup, der Nachrichtenchef des öffentlich-rechtlichen
dänischen Rundfunks, ist ein Verfechter der Constructive News - Bewegung
(„Konstruktive Nachrichten“): „Die Menschen würden sich abwenden von den
Medien, weil die endlose Abfolge von Schreckens-, Katastrophen und
Horrormeldungen sie deprimiere.“ Auch Giovanni Lorenzo, Chefredakteur der ZEIT
zieht nach. Es könne doch nicht sein, dass sich die Leute beim Lesen am
liebsten jede Woche die Decke über den Kopf ziehen wollen, weil sie jedes Mal
erleben wie schlecht die Welt ist. Auch die Huffington Post hat inzwischen die Rubrik
„Good“ ins Leben gerufen.
In den letzten Jahrzehnten hat
die Wissenschaft fernab vom Bewusstsein der Menschen bahnbrechende Erfolge
geleistet. Und eine neue Weltsicht damit zur Konsequenz gemacht. Die meisten
Menschen sind jedoch noch bei einem wissenschaftlichen Stand von vor 100 Jahren,
und richten ihr Leben auf bereits überholte Annahmen aus – während viele davon
paradoxerweise die Wissenschaft als einzige Religion betrachten, an der es sich
auszurichten gilt., ohne die Paradigmenwechsel der Wissenschaft bemerkt und
sich der Konsequenzen bewusst gemacht zu haben.
Wir müssen nicht verzehren, was uns
vorgesetzt wird. Wir haben freie Medien- und Themenwahl. Mut zur Eigenverantwortung der Informationsbeschaffung und Mut zum
Individualismus durch bewusstes Auswählen von Informationen sollten unsere
konsequente Priorität haben. Medien sinnvoll zu nutzen bedeutet, sich das zu
holen, was einen neugierig macht, was Freude macht. Denn das ist auch für
unsere persönliche Zukunft und für unsere Gesundheit gut. Freude stärkt das
Immunsystem, unsere Motivation und Begeisterungsfähigkeit. Dadurch haben wir
mehr Vitalität um zu handeln.
Hinter
unserm Daseyn nämlich steckt etwas Anderes,
welches uns erst dadurch zugänglich wird,
daß wir die Welt abschütteln.
Arthur Schopenhauer
welches uns erst dadurch zugänglich wird,
daß wir die Welt abschütteln.
Arthur Schopenhauer
Bei 10 Stunden täglichem
Medienkonsum könnten wir uns auch überlegen, ob wir nicht mal ein neues Hobby
anfangen. Zum Beispiel eine andere Sprache lernen. Oder informieren wir uns doch
einfach einmal genauer über die Produkte, die wir kaufen und verzehren. Woher
stammen sie? Arbeitet die Firma fair und nachhaltig? Musste ein Tier leiden,
mussten Menschen leiden, muss die Umwelt leiden? Das sind Informationen, die
uns unmittelbar betreffen und mit denen wir etwas anfangen können. Durch aufgeklärtes Handeln zu einer besseren
Realität beisteuern.
Mein Handy meldet sich noch
einmal zu Wort: „Breaking News: Bahnkunden müssen heute mit Verspätung
rechnen.“
Mag. Yvonne Arnold Stuttgart, 05.10.2015
Weiterführende Links:
Lala-Land: Auf dem Weg in eine bessere, nachhaltige und friedliche Gesellschaft: https://www.facebook.com/Sustainableproduction/
Universität Kiel/Rainer Mausfeld:
https://www.youtube.com/watch?t=20&v=Rx5SZrOsb6M (ab 19:28 min)
Weiterführende Links:
Lala-Land: Auf dem Weg in eine bessere, nachhaltige und friedliche Gesellschaft: https://www.facebook.com/Sustainableproduction/
Universität Kiel/Rainer Mausfeld:
https://www.youtube.com/watch?t=20&v=Rx5SZrOsb6M (ab 19:28 min)